
Wozu sind wir da?
Wenn alles gut geht, werden wir im Frühjahr das in die Jahre gekommene Papst-Johannes-Haus abreißen lassen und einen Neubau entwickeln können, der den heutigen Ansprüchen gerecht wird. Auf die Frage: „Wozu bauen wir eigentlich ein neues Pfarrzentrum?“ gibt es deswegen die einfache Antwort: „Um uns zu treffen und die Pfarrei lebendig zu halten.“
Diese kleine Frage „Wozu?“ ist mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. In unserem Sprachgebrauch gibt es diese Frage eigentlich gar nicht. Fast immer fragen wir „Warum?“. Das ist aber ein großer Unterschied. „Warum?“ ist eine rückwärtsgewandte Frage. Sie fragt nach der Ursache von etwas. Ihre Antwort liegt in der Vergangenheit. „Warum bauen wir ein neues Pfarrzentrum? Weil das alte in die Jahre gekommen ist.“ Die Frage „Wozu“ dagegen verweist in die Zukunft. Sie will eine Vision und Räume eröffnen, damit sich etwas weiterentwickeln kann. Sie ist eine zielgerichtete Frage.
Diese kleine Frage „Wozu“ stellt Jesus auch in seiner Passion am Kreuz. Er zitiert dabei Ps 22, wo es wörtlich im hebräischen Text heißt: „Mein Gott, mein Gott, wozu hast Du mich verlassen?“ Leider wird im Deutschen immer noch mit „Warum“ übersetzt. Jesus fragt aber nicht nach dem zurückliegenden Grund, sondern nach der Vision des Vaters. Und die Antwort auf diese Frage gibt Gott an Ostern. „Wozu hast Du mich verlassen?“ „Um Deine Auferstehung und damit das ewige Leben für alle, die an Dich glauben, möglich zu machen.“
Die Frage, die mich umtreibt, ist die Frage: „Wozu sind wir als Kirche, als Pfarrgemeinde da?“ Gibt es da eine einfache Antwort? Was ist unsere zukunftsgerichtete Vision als Pfarrgemeinde St. Michael mitten in Mering? Wozu tun wir das, was wir tun?
Von einer Antwort auf diese Frage hängt die Zukunft der Kirche in Deutschland und auch unserer Pfarrgemeinde ab. Eine kleine Geschichte erklärt das ganz gut. Da sind zwei Arbeiter, die Steinquader behauen. Der eine arbeitet langsam, etwas lustlos und ungenau. Der andere ist mit einer Begeisterung und Leidenschaft und Genauigkeit dabei. Auf die Frage, was sie da tun, antwortet der eine lustlos: „Ich behaue Steinquader.“ Der andere sagt motiviert: „Ich baue eine Kathedrale!“
Diese Geschichte zeigt sehr schön: um Menschen für etwas zu begeistern, braucht es eine Vision, braucht es eine Antwort auf die Frage: „Wozu soll ich da mitmachen?“ Für eine Vision brennt man, man füllt sie mit dem ganzen Leben aus, man trägt mit ganzer Kraft dazu bei, dass sie Wirklichkeit wird.
Viele Unternehmen hatten im Lauf ihrer Entwicklungsgeschichte eine Vision, die klein angefangen hat. Z.B. eine schwedische Möbelkette: „To create a better day life for the many people.“ Menschen arbeiten dort mit, weil sie möchten, dass Menschen sich im täglichen Leben wohler fühlen. Oder die Ritz-Carlton-Hotelkette: „Ladies and gentlemen serving ladies and gentlemen.“ Also: Männer und Frauen dienen Männer und Frauen. Egal ob Putzfrau oder Geschäftsführer, egal ob Kleinverdiener-Gast oder Luxussuite-Gäste: jeder hat seinen wichtigen Dienst, um die Vision zu verwirklichen.
Was ist unsere Vision als Pfarrei St. Michael? Wozu sind wir da? Behauen wir planlos pastorale Steinquader? Durch Arbeitskreise, Teams und Gruppen? Oder bauen wir in unserer Pfarrei gemeinsam an einer wunderschönen pastoralen „Kathedrale“, in der man erfährt: hier ist das Reich Gottes da?
Ich habe eine große Leidenschaft dafür, mit Ihnen zusammen und mit dem neuen Pfarrgemeinderat eine Vision für unsere Pfarrei zu entwickeln. Sie ist mehr als ein unverbindliches Motto und mehr als der kleinste gemeinsame Nenner. Sondern der Dreh- und Angelpunkt von allem, was wir tun.
Die letzten fünf Päpste haben uns immer wieder eine Antwort auf die Frage gegeben: „Wozu ist Kirche da?“ Sie haben geantwortet: „Um zu evangelisieren.“ Die Kirche und jede Pfarrgemeinde dreht sich ja nicht um sich selber, sondern sie ist da, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Menschen Jesus begegnen und einen Ort haben, an dem sie gemeinsam mit vielen anderen Gläubigen in ihrer Jesus-Beziehung wachsen können. Deswegen formuliert der kanadische Priester James Mallon: „Wenn die Kirche ein Club wäre, dann der einzige auf der Welt, der für diejenigen existiert, die nicht Mitglieder sind.“
Ich danke von Herzen allen, die in den letzten Jahren einen Dienst in unserer Pfarrei übernommen haben, auch im Pfarrgemeinderat. Im nächsten Jahr sind wieder Pfarrgemeinderatswahlen. Ich freue mich, mit den alten und neuen Mitgliedern eine Vision zu entwickeln, die eine Antwort auf die Frage gibt: Wozu sind wir als Pfarrei mitten in Mering da?
Ihr Pfarrer Dr. Florian Markter